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Die empfindliche Verdauung des Kaninchens

Autor: Robert Brungert, https://www.kaninchen-ratgeber.com/

Kaninchen zählen nicht zu den Nagetieren, sondern zu den Hasenartigen wie auch der Feldhase. Alle Hasenartigen haben eine Besonderheit der Verdauung: Der Dünndarm mündet in den oberen Dickdarm und Blinddarm. Dieser obere Teil des Dickdarms wird aufsteigender Kolon genannt. Die Darmwand verfügt über die Besonderheit kleiner warzenförmiger Gebilde. Diese spülen mithilfe von Flüssigkeit Nahrungspartikel in den Blinddarm, die kürzer als 0,5 mm lang sind. Alles, was länger ist, enthält wenig Energie und wird direkt ausgeschieden. Doch die energiehaltigen Nahrungspartikel werden im Blinddarm zuerst aufgeschlossen und dann als sogenannter Blinddarmkot ausgeschieden. Dieser wird wieder gefressen, die enthaltenen Nährstoffe werden nicht im Dickdarm, sondern im Dünndarm aufgenommen.

Außerdem wird beim Kaninchenmagen von einem Stopfmagen gesprochen, obwohl es kein klassischer Stopfmagen ist. Zum Eingang ist dieser zur Speiseröhre stark bemuskelt, Kaninchen können nicht erbrechen. Zum Ausgang hat der Magen einige Muskeln. Doch der Rest des Magens hat nur schwache Muskeln, weswegen der Nahrungsbrei erst beim Übergang zum Dünndarm durchgemengt wird.

Der Kaninchenmagen entleert sich nie komplett. Bleibt die Nahrung wegen zu unregelmäßiger Fütterung zu lange im Magen, kann es zu Fehlgärungen kommen. Es ist deswegen sehr wichtig, dass Kaninchen ständig etwas Futter erhalten. Sie fressen in Menschenhand 80 Mal am Tag eine kleine Futtermenge. Das ist der Grund, weswegen sie durchgehend Heu im Gehege haben sollen.

Junge Kaninchen müssen Blinddarmkot fressen

Erwachsene Kaninchen haben im Magen einen pH-Wert von 1 bis 2. Dieses saure Umfeld tötet Viren und Bakterien sehr zuverlässig ab. Wenn Kaninchen Blinddarmkot fressen, steigt der pH-Wert im Magen kurzfristig auf 3, was immer noch zu sauer ist.

Es ist sehr wichtig, dass junge Kaninchen bei ihrer Mutter aufwachsen, wo sie Blinddarmkot fressen können. Dieses müssen sie machen, bevor sie der Milch komplett entwöhnt werden. In der Phase des Säugens haben sie noch einen pH-Wert von 5 bis 6,5 im Magen. Wenn sie den Blinddarmkot fressen, werden die wichtigen Bakterienstämme nicht abgetötet und können sich im Blinddarm und Kolon ansiedeln. Nur dann kann die Nahrung aufgeschlossen werden.

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Träge Bakterien im Blinddarm

Wiederkäuer arbeiten beim Fermentieren der Nahrung mit Milchsäurebakterien, die sich schneller anpassen können. Im Kaninchen-Blinddarm sind hingegen Stäbchenbakterien der Gattung Bacteroides entscheidend. Es sind immer mehrere Bakterienstämme vorhanden. Diese sind träge und reagieren damit nur zeitversetzt auf eine Futterumstellung. Kaninchen sind deswegen auf eine ausgewogene und gleichbleibende Fütterung angewiesen. Sie wollen durchaus Abwechslung im Futterplan. Eine plötzliche Umstellung kann jedoch zu sehr schweren Verdauungsproblemen führen. Demnach vertragen Kaninchen Kohl sehr gut, wenn sie ganz langsam an diesen gewöhnt werden. Ansonsten hätten sie jedoch massive Verdauungsprobleme.

Im Blinddarm findet eine Fermentation der gehaltvollen Nahrungsbestandteile statt, während langfaserige Bestandteile bereits ausgeschieden werden. Im Blinddarm werden Buttersäure, Essigsäure und Propionsäure freigesetzt und direkt aufgenommen. Diese Fettsäuren decken ein Drittel des Energiebedarfs.

Es werden auch Vitamine und Proteine freigesetzt, die weder im Blinddarm, noch im Kolon aufgenommen werden können. Der Blinddarm gibt regelmäßig einen Teil seines Inhalts an den Kolon ab. Dieser Blinddarmkot wird weniger entwässert oder gepresst. Es wird sogar eine glänzende Schutzschicht über die Kotkugeln gezogen. Diese werden zum Großteil direkt vom After gefressen und erneut verdaut. Die lebenswichtigen Proteine und Vitamine werden hinter dem Magen im Dünndarm aufgenommen.

Wiederkäuer würgen ihre Nahrung hoch, zerkauen diese erneut und schlucken sie in eine andere Magenkammer hinunter. Kaninchen fressen einen Teil ihrer Nahrung zweimal und können diese dadurch verwerten.

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Fazit aus dem Stopfmagen

Ob es sich um den Magen oder den Blinddarm handelt: In beide muss ständig neue Nahrung einströmen, damit die alte Nahrung weiterbewegt wird und es zu keiner Fehlgärung kommt. Kaninchen müssen durchgehend viel Nahrung aufnehmen, die deswegen nicht zu gehaltvoll sein darf. Kraftfutter ist nur bei einem Mehrbedarf zu füttern, sonst nicht.

Die Nahrung der Kaninchen muss einen hohen Gehalt an Rohfaser enthalten. Heu und getrocknete Kräuter können das erfüllen. Wegen der Vitamine ist es jedoch besser, wenn Kaninchen ständig etwas Frischfutter erhalten. Neben dem Schnitt einer Wiese oder Kräuterweide ist Gemüse wie Salat, Möhrengrün oder Kohl interessant. Aber auch Wurzelgemüse wie Möhren und Rüben oder Knollengemüse wie Knollensellerie und Fenchel sind gern gesehen.

Fazit aus den Blinddarm-Bakterien

Lange Fasern lassen sich zermahlen und würden dann im Blinddarm landen. Sie würden zu schweren Verdauungsproblemen führen. Auch viele Getreidearten sind für Kaninchen schwer verdaulich und gehören nicht ins Futter. Sie enthalten zudem viel zu viel Energie.

Pellets aus zermahlenem Kraftfutter und auch die pulverigen Reste aus dem Heu- oder Kräuterbeutel gehören nicht ins Kaninchenfutter. Es ist auf hochwertiges Heu und Kräuterheu zu achten, welches immer verfügbar sein soll. Wie beim Frischfutter sind die Reste zu entfernen, bevor frisches Futter gegeben wird.

Wer etwas nicht regelmäßig füttert, sollte immer mit kleinen Mengen beginnen. Außerdem freuen sich Kaninchen, wenn sie eine vielfältige Fütterung erhalten und selektieren dürfen. In freier Natur ernähren sich Wildkaninchen immerhin auch gesund.

Tipp zur Fütterung der Kaninchen

Nicht nur wegen der Verdauung, auch wegen der Gesundheit ist es gut, wenn Kaninchen unterschiedliche Gräser, Zweige und Kräuter erhalten. Gerade Kräuter halten Kaninchen gesund. Wer als Kaninchenhalter überfordert ist, sollte Futterlisten für Kaninchen als Orientierungshilfe verwenden. Es gibt so viele Pflanzen, die Kaninchen gern fressen, dass es genügen wird, einen Teil davon in die persönliche Futterliste zu übernehmen.

Wer Kaninchen von Freunden oder aus dem Tierheim übernimmt, sollte immer fragen, wie die Tiere gefüttert wurden. Im Anfang wäre diese Fütterung zu übernehmen, die sich langsam anpassen lässt.

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